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Beinhaus Sedlec

Untere Kapelle der Friedhofskirche Allerheiligen

Zur Geschichte der Kirche

Die Allerheiligenkirche mitsamt des Beinhauses ist während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Bestandteil des Zisterzienserklosters errichtet worden, das es nicht mehr gibt. Die Geschichte der Allerheiligenkirche mit anliegendem Beinhaus ist mit dem Zisterzienserorden in der Tat eng verknüpft. Der Adlige Miroslav schenkte diesem Orden weitreichende Ländereien nahe der heutigen mittelböhmischen Stadt Kutná Hora. Die Gründungsurkunde des ältesten Zisterzienserklosters auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik stammt aus dem Jahr 1142. Während der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erfolgte in Anbetracht mangelnder Finanzen ein weitreichender Verfall des gesamten Klosters. Diese Entwicklung nahm jedoch in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Kehrtwende, zumal einer der Mönche aus Sedlec auf dem Klostergelände auf eine Silberader stieß. Das Kloster erlangte dank dieses Fundes Reichtum. Letztenendes entstand somit die heutige Stadt Kutná Hora.

Während des 14. Jahrhunderts avancierte Kutná Hora mit seinen nahezu 80.000 Einwohnern zu einer der damals größten Städte der Welt. In dieser Stadt lebten die Menschen nicht nur, sondern man starb hier auch, sei es infolge der Hungersnot, Pest, des Bergbaus oder wegen schlechter hygienischer Bedingungen bzw. kriegerischer Konflikte. Die allermeisten Verstorbenen sind gerade auf dem Klostergelände in Sedlec beerdigt worden, wo sich der einzige damals fungierende christliche Friedhof befand, der Ende des 14. Jahrhunderts eine unglaubliche Größe von 3,5 Hektar erreichte. Ein weiterer Grund dafür, warum der Friedhof in Sedlec so sehr beliebt war, lag darin, dass man sagte, der Abt Heidenreich aus Sedlec habe sich nach Jerusalem begeben. Der Legende nach brachte der Abt eine Handvoll Blutackerlehm nach Sedlec und gründete hier das erste heilige Feld Mitteleuropas.

In Anbetracht der hohen Sterberate während des 14. und 15. Jahrhunderts bzw. später als man mehr Freiraum benötigte, wurde es notwendig, den weitläufigen Friedhof von Sedlec zu verkleinern und die exhumierten Knochen pietätsvoll aufzubewahren. Gemäß christlichen Bräuchen gilt es, Skelettreste unterhalb der Erdoberfläche zu begraben. Aus diesem Grunde errichtete man die zweistöckige Friedhofskirche, wobei die Kapelle unterhalb der Erdoberfläche zum pietätsvollen Beisetzen der leiblichen Überreste, die Kapelle hierüber wiederum Gedenkgottesdiensten für die Toten diente.

Wann genau die Allerheiligenkirche fertiggestellt wurde, ist nicht bekannt. Experten neigen dazu, die Errichtung in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts anzusiedeln. Während der Hussitenkriege (1421) erlitt wohl das Dach sowie die Statik der gesamten Kirche Schaden. Die sich in der Nähe befindende Kathedrale der Mariä Himmelfahrt sowie des Hl. Johannes-des-Täufers ist während der Jahre 1290-1320 abgebrannt und die hier ansässigen örtlichen Zisterzienser sind ermordet worden. Danach kehrte Leben ins Kloster Sedlec-Kloster nur sehr langsam zurück, womöglich erst um die Jahrhundertwende zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert. Die Mönche begannen, den Konvent sowie weitere notwendigen Gebäude, die zur Bewirtschaftung notwendig waren, zu renovieren. Die Allerheiligenkirche im 17. Jahrhundert teilweise zu reparieren.

Einen weiteren wichtigen und zugleich historischen Meilenstein stellte die Wende zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert dar, als es dem damaligen Abt Jindřich Snopka gelang, ausreichende Geldmittel zu anzusammeln, um die beschädigte Mariä Himmelfahrt Kathedrale zu reparieren. Snopek rief die seinerzeit berühmtesten Künstler, mitunter auch Johann Blasius Santini Aichel dazu auf, die Reparaturarbeiten durchzuführen. Santini reparierte auch die Allerheiligenkirche mitsamt Beinhaus. Er gilt als Autor der ersten Dekoration des Beinhauses in der unteren Kapelle.

Kaiser Josef II. löste im Jahr 1783 das Zisterzienserkloster auf, wobei einzelne Gegenstände öffentlich versteigert wurden. Die Mariä Himmelfahrt-Kathedrale diente fortan als Lagerhaus, im Konvent verarbeitete man Tabak. Das Patronat über die Allerheiligenkirche mit Beinhaus übernahm fortan die Schwarzenberg-Familie. Nach der Auflösung des Klosters erfolgte eine Verkleinerung des Friedhofs in Sedlec, wobei die Knochen aus den aufgelösten Gräbern zum einen Teil im Beinhaus, zum anderen teilweise in einem Massengrab beigesetzt wurden. Während des 19. Jahrhunderts finanzierte die Familie Schwarzenberg eine weitreichende Rekonstruktion des Beinhauses, mitsamt einer Restaurierung sowie Erweiterung der Skelettdekorationen, die im Jahr 1870 abgeschlossen war. Autor dieser Arbeiten war František Rint.

Geschichte der Skelettdekoration und Memento Mori

Die nun in der unteren Kapelle des Beinhauses aufbewahrten Skelettreste lagen ursprünglich in aufgegebenen Gräbern des weitläufigen Friedhofs, der sich auf dem Gelände des Klosters in Sedlec befand. Hierbei handelt es sich um Skelettreste mittelalterlicher Bewohner der Stadt Kutná Hora mitsamt Umland. Kutná Hora wurde im Jahr 1318 von einer Hungersnot ereilt, im Zuge welcher bis zu 20.000 Einwohner der damaligen Stadt starben. Drei Jahrzehnte später starben an den Folgen der Pest weitere 30.000 Einwohner. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts tobten in der Umgebung von Kutná Hora die sog. Hussitenkriege, in Folge derer ungefähr zehntausend Menschen starben. All diese Menschen wurden ebenso wie natürlicherweise auch weitere Bewohner von Kutná Hora auf dem Friedhof von Sedlec beigesetzt. Als die Friedhofsfläche jedoch 3,5 Hektar erreichte, blieb kein weiterer Erweiterungsspielraum übrig. Es kam zu einer Exhumierung der alten Gräber, wobei die Überreste lose um die Mauern der unteren Kapelle herum verteilt wurden, d.h. sowohl innen als auch außen.

Als Ideenträger sowie Autor der Basiskonzeption der jetzigen Skelettdekoration im Stil barocker Frömmigkeit sowie den alten Prinzipien barocker Ästhetik bezeichnet man den Architekten Johann Blasius Santini Aichel. In der von Santini entworfenen barocken Ausgestaltung des Beinhauses treffen wir den Tod als Bestandteil der göttlichen Ordnung an, womit die bedrückende Atmosphäre der unteren Kapelle etwas in den Hintergrund rückt, denn hier lässt man die Hoffnung erklingen, dass wir hoffen können, dass nach dem Tod die Auferstehung folgt.

Sehr weitreichenden Einfluss übte auf die ursprünglichen barocken Prinzipien von Santinis Verzierungselementen, František Rint aus, der vor dem Jahr 1870 auf Einladung der Familie Schwarzenberg, der neuen Schirmherren der Kirche, in die Allerheiligenkirche kam. František Rint sprengte das ursprünglich streng spirituelle Konzept auf. Er schuf Verzierungen im Stil der damals in Mode stehenden Romantik. Außerdem ist Autor der berühmtesten Dekorationselemente – des Kronleuchters, des Schwarzenberg-Wappens sowie der hängenden Girlanden. Diese Verzierungselemente verliehen den Räumlichkeiten einen neuen, enorm makabren Ausdruck, wobei das Thema des Todes auf eine einzigartige Art und Weise als dominantes emporstach. Anstelle als Ort zum vorübergehenden Ruhen des Verstorbenen zu dienen, die hoffnungsvoll auf die Auferstehung warten, verwandelte František Rint die untere Kapelle in ein Reich, in welchem der Tod triumphiert. Während man sich bei barocken Skelettdekorationen auf die Verwendung von Schädeln bzw. Knochen von Gliedmaßen beschränkte, nutzte Rint bei den Dekorationen außerdem verschiedene weitere Arten menschlicher Knochen.

Sinn und Zweck der Skelettdekoration ist das Motto Memento mori – Gedenke des Todes. Hierbei handelt es sich um einen Aufruf der Christen, sich an die letzten Dinge eines menschlichen Daseins zu erinnern. Ein weiteres Zitat aus dieser Herausforderung ist der nachfolgende beliebte Satz: Was wir jetzt sind, werdet auch Ihr einmal sein. Wenn wir als Menschen dem Toten gegenüberstehen und an den Augenblick unseres Todes denken, erkennen wir, dass unser Leben ja endlich ist und wir, wir uns für unsere Taten eines Tages vor Gott rechtfertigen werden. In Anbetracht dessen, dass wir nach dem Tod keine Möglichkeit mehr haben, irgendetwas wieder zu beheben, führen uns solche Gedanken dazu, unser Leben so schnell zu ändern, solange noch Zeit ist. Zeitgleich neigen wir beim Blick auf die leiblichen Überreste dazu, ein weiteres Glaubensmysterium, nämlich die Auferstehung der Toten zu reflektieren. Die Bibel besagt, dass Leib und Seele der Toten auferstehen werden, um vor das Jüngste Gericht zu treten und das ewige Leben genießen zu können. Dementsprechend sehen wir Verstorbene, die auf diesen Augenblick warten, so dass wir in Anbetracht der Versammlung dieser Verstorbenen die Hoffnung spüren können, mit der sie sich in Sedlec haben begraben lassen, nämlich dass sie dank der Auferstehung Christi eines Tages wie er ebenfalls auferstehen werden. Daher ist dieser Ort ist also kein Ort des Kultes der Toten, sondern ein Ort voller Hoffnung und Erwartung.